Interview mit Dr. Christiane Roth, Stiftungsratspräsidentin, und Marco Camus, Vorsitzender der Geschäftsleitung, Stiftung Ilgenhalde, zu ihrer fast siebenjährigen Zusammenarbeit, die mit dem Weggang von Marco Camus Ende Februar 2024 endet.

Ihr blickt auf eine fast 7-jährige Zusammenarbeit in der Leitung der Stiftung Ilgenhalde zurück. Worauf seid ihr besonders stolz?

Marco Camus, Vorsitzender der Geschäftsleitung: Ich glaube, ein Ziel, das wir gemeinsam erreichen konnten, war das Zusammenwachsen der drei Standorte zu einem Unternehmen. Dies bringt grossen Mehrwert für die Klienten und Klientinnen, die daraus resultierend vom vernetzten Schaffen nach klaren Grundsätzen profitieren.

Ein weiterer Meilenstein in dieser Zeit war die Abschaffung der Betriebskommissionen. Diese Neuorganisation hat zu einem direkteren Kontakt zwischen Leitung und Stiftungsrat geführt. Dadurch können wir von dem breiten Wissen im Rat profitieren und eine schnellere und dynamischere Arbeitsweise sicherstellen.

Christiane Roth, Stiftungsratspräsidentin: Wir hatten strategisch viel Spielraum. Wir haben diese Möglichkeit genutzt, um uns grundlegend zu reflektieren und zu definieren, worum es bei der Arbeit der Ilgenhalde im Grunde geht, was unser Angebot beinhaltet und wer unsere Klientel ist. Wir haben drei verschiedene Einheiten zu einer vereint und wo nötig strukturelle Anpassungen vorgenommen.

Für mich war das Besondere an diesem Prozess die harmonische Zusammenarbeit mit dem Stiftungsrat, von dem einige Mitglieder schon lange dabei sind. Wir konnten Änderungen umsetzen, aber auch im Verlauf des Prozesses flexibel anpassen, wo es notwendig war.

Diese Flexibilität in der Zusammenarbeit mit dem Stiftungsrat und die Möglichkeit Dinge und neue Wege auszuprobieren, schätze ich sehr. Wir agieren transparent und nachvollziehbar. Mit unserem modernen Führungssystem fordern wir Verantwortung ein, geben aber auch Mitspracherecht.

Und nicht zuletzt unser neuer Auftritt mit der neuen Website. Das bringt uns einen grossen Mehrwert. Wir drucken kein Briefpapier mehr, das ist eine Frage der Firmenkultur, die wir langsam, aber sicher angepasst und verändert haben. Wir werden aber alle dieselben Vorlagen nutzen. Das mag banal klingen, aber wir sparen da, wo wir keinen Qualitätsverlust erleiden müssen. Wir sparen nicht an unseren Klienten und Klientinnen.

MC: Mit Hilfe unseres neuen Kommunikationskonzepts skizzieren wir nun klar, wer wir sind und was wir tun. Wir bauen Social-Media-Kanäle auf, geben damit authentische Einblicke in unseren Alltag und haben eine klar strukturierte Website. Zentrale Informationen sind dort auch in leichter Sprache aufbereitet. Es ist schön, zu zeigen, wer wir sind. 

CR: Das neue Kommunikationskonzept sowie der aufgefrischte Auftritt sind unsere Highlights des letzten Jahres – es sprüht vor Energie und Lebendigkeit und widerspiegelt damit unsere Institution.

Was war schwierig in dieser Zeit?

CR: Ganz herausfordernd war es, die verschiedenen Anspruchsgruppen in diesem Prozess optimal einzubinden. Das, was wir auf Ebene des Stiftungsrates schnell klären konnten, dauerte, bis es von der Betriebskommission und den Standorten aufgenommen werden konnte.  Die Umsetzung war eine Gratwanderung, damit der Verlust von Gewohntem aufgefangen werden konnte. Das war nicht einfach.

MC: Es gab auch Traditionen, die wir aufbrechen mussten. Da gab es patriarchische Systeme, die wir hinterfragten und modernisierten. Wir teilten Aufgabenbereiche auf und brachen mit alten Mustern.

Schwierig war auch, als uns die Pandemie mitten in unseren Change-Prozess gefunkt hat – das hat zur Verzögerung geführt. Beispielsweise konnte die Professionalisierung der Kommunikation später als geplant angegangen werden.

Welche Themen werden die Stiftung im nächsten Jahr beschäftigen?

MC: Das Professionalisieren der verschiedensten Bereiche unseres Betriebs ist noch im Gang und wird auch weiterhin Thema bleiben. Das war ein grosser Veränderungsprozess, der über die letzten Jahre stattgefunden hat. Die Struktur steht, jetzt geht es um den gemeinsamen Inhalt. 

CR: Das zweite wichtige Thema ist die Personalrekrutierung und das Halten unserer Mitarbeitenden, gerade in Zeiten des Fachkräftemangels. Wir möchten eine attraktive Arbeitgeberin sein.

Weitere Themen sind die ganzen Personaleinstellungsprozesse – mit Fragen wie: Wen rekrutieren wir? Wer ist bei der Rekrutierung anwesend? Wie gestalten wir die Prozesse so effizient wie möglich? Wie gehen wir mit dem Fachkräftemangel um? Unser Ziel ist es, verstärkt Mitarbeitende weiterzubilden und zu den Fachkräften auszubilden, die uns fehlen. 

MC: Wenn wir eine gute Qualität in unserem Betrieb vorleben, ziehen wir auch Fachkräfte an, die diese Qualitäten schätzen. 

CR: Wichtig für die Zukunft wird auch sein, dass wir offen mit Problemen umgehen und diese ansprechen. Das bedeutet einen professionellen Umgang mit Beschwerden. 

MC: Da spielt auch unsere Verlässlichkeit gegenüber den Angehörigen unserer Klientel hinein. Dieser Punkt wird immer anspruchsvoller, da auch die Anforderungen der Angehörigen stetig steigen. Wie kriegen wir es also hin, dass die Angehörigen uns vertrauen, dass wir unseren Job gut machen, auch wenn beispielsweise ein Kind mal beim Rennen hinfällt oder mal etwas nicht nach Plan läuft.

Wie konntet ihr beide voneinander profitieren?

MC: Ich habe von Christiane gelernt, Verantwortung abzugeben, Vertrauen zu schenken, aber auch im Gegenzug etwas einzufordern. Das war schwierig für mich. Es braucht Mut, als Führungsperson nicht alle Zügel in der Hand halten zu wollen.

CR: Marco ist ein Mensch mit viel Engagement und einem sehr hohen Verantwortungsbewusstsein. Er hat mir gezeigt, wie fruchtbringend es ist, so vernetzt zu sein. Ich konnte ihm vertrauen. Nicht immer waren wir einer Meinung, aber das mussten wir auch nicht sein. Ich hatte volles Vertrauen und wenn Marco sagte, er habe es im Griff, wusste ich, dass es so war. Diesen gegenseitigen Respekt, den wir einander entgegenbrachten, schätze ich sehr. Es ist wichtig, dass du Menschen grundsätzlich magst, wenn du als Führungsperson arbeitest und das tun wir beide.

Marco, was würdest du deinem Nachfolger, Urs Rüegg mit auf den Weg geben wollen?

MC: Urs, du wirst ein gutes Team vorfinden. Es ist das gesamte Team, das den Wert der Stiftung ausmacht. Ich bin immer wieder gerührt, wenn ich sehe, mit welcher Freude unsere Mitarbeitenden arbeiten. Das begleitete Kind, der begleitete Erwachsene steht dabei im Zentrum. Trage unseren hochmotivierten Mitarbeitenden Sorge.

CR: Die Arbeit in der Stiftung ist anspruchsvoll und meine Kolleginnen und Kollegen des Stiftungsrates geben mir auch immer wieder Feedback, dass sie unsere Mitarbeitenden bewundern, die sich mit so viel Engagement und Begeisterung um unsere Klientel kümmern. Danke vielmals. Ohne euch geht gar nichts.

MC: Das Herzblut, das in die Arbeit einfliesst, ist nicht selbstverständlich. Da kann man nicht oft genug «Danke» sagen. 

CR: Auch ein grosses «Dankeschön» an Marco, der die Stiftung mit grossem Engagement in sieben Jahren sehr geprägt und weitergebracht hat.